Galerie Alexandra Saheb
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KEI TAKEMURA
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Was in einer Hülle passiert.
Zur Werkreihe „Reparatur“


In dieser Werkreihe geht es darum, Gefäße, die in meiner Wohnung zufällig kaputt gingen, statt sie einfach wegzuwerfen, in einen aufbewahrungsfähigen Zustand zu bringen. Es gibt immer bestimmte Ursachen und Anlässe fürs Zerbrechen eines Gefäßes. Sie können dann objektiv betrachtet werden, wenn sichtbar wird, wie das Gefäß in die Brüche ging. In einen dünnen halbtransparenten Stoff gehüllt, wurde es von dem Ort, wo es entzweiging, geborgen und erscheint als etwas Wertvolles, das sein eigenes Zerbrechen „überlebt“ hat.
Nähte auf der Hülle verweisen auf Bruchstellen am Gefäß. Sie stellen „Wunden“ dar, die ich nach der Umhüllung des einmal zerbrochenen und nun reparierten Gefäßes erkannt habe. Die Stellen, an denen die Bruchstücke mit Klebstoff zusammengeklebt wurden, also die reparierten Bruchstellen, sind als solche nicht schön. Ich ziehe dort, wo die Hülle über den Bruchlinien liegt, diese mit weiß leuchtendem Seidenfaden nach und gebe so jenen „Wunden“ einen Lichtschein, so dass das zerbrochene Ding den Zustand des Schönen erreicht. Daher stellt die Stickerei in dieser Werkreihe sowohl eine Anerkennung dessen, was geschehen ist als auch eine Restaurierung des Bildes, das einmal zerbrochen wurde, dar.

In Japan gab es eine Tradition, dass gebrochenes Geschirr immer wieder mit Japanlack und Goldfolie - Japanlack als Klebstoff und Goldfolie als Farbe verwendet - repariert und so über Generationen weiter benutzt wird. Die Generation meiner Großmutter hat tatsächlich noch auf solche Weise altes Geschirr benutzt. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Porzellan- und Glasgefäße durch die Mechanisierung und Massenproduktion billiger. Je mehr billige Gefäße massenweise auf dem Markt angeboten wurden, desto weniger wurde Rücksicht auf die traditionellen Techniken des Reparierens genommen, so dass diese allmählich in Vergessenheit gerieten. Die Reparatur mit Japanlack und Gold wird heutzutage nur noch bei Antiquitäten angewendet. Ich habe immer die heutige Situation, in der alles schnell weggeworfen wird, als befremdlich empfunden. Dieses Gefühl ist auch einer der Beweggründe für diese Werkreihe.

Die von mir in Berlin „restaurierten“ Gefäße waren alle Gebrauchtwaren, die ich hier gekauft habe. Sie gehörten früher zu anderen Menschen, die sie sorgfältig benutzten, aber dann aus irgendwelchen Gründen wieder verkaufen mussten. So sind sie wichtige Dinge, die ihre eigene Geschichte in sich tragen. Solche Dinge kann ich nicht wegwerfen, wenn sie auch von meinen Gästen aus Versehen zerstört werden oder von der heftig bebenden Waschmaschine auf den Boden fallen und zerschlagen. Ich könnte sie wieder benutzen, wenn ich sie, wie man es früher in Japan machte, mit Japanlack und Goldfolie reparieren könnte. Hingegen habe ich Bedenken, modernen chemischen Klebstoff für Gefäße zu benutzen, die beim Essen gebraucht werden. Außerdem bin ich skeptisch, was die Tauglichkeit von mit solchem Klebstoff reparierten Gefäßen für den täglichen Gebrauch angeht. Daher ist es nur ein provisorischer Zustand, dass die zerbrochenen Gefäße mit chemischem Klebstoff zusammengehalten werden.

Bruchstücke einer Kaffeetasse und ihrer Untertasse, die von der Waschmaschine auf den Boden fielen, wurden mit Klebstoff provisorisch wieder zusammengefügt und mit einem halbtransparenten Stoff umhüllt. Diese umhüllte Tasse erinnert nun an die heftige Bewegung der Waschmaschine. Ein Teller, auf den eine Freundin von mir aus Versehen eine schwere Gabel fallen ließ und den sie so zerschlug, wurde ebenfalls restauriert. Dabei geht es mir nicht vor allem um die Erinnerung an ein tragisches Ereignis, das nie mehr wieder gutzumachen ist, sondern mir ist es viel wichtiger, dass der Teller auch nach diesem Ereignis weiter mit Würde behandelt wird, indem er sorgfältig von einem Schleier mit Stickerei umgehüllt wird.

Die Hülle aus halbtransparentem Stoff gibt einem Gefäß einen „Rahmen“ wie bei einem Gemälde - er grenzt ihn von der Außenwelt ab. Diese Umhüllung deutet darauf hin, dass das Gefäß jetzt nicht mehr zum Gebrauch beim Essen bestimmt ist, und dass in der Hülle etwas enthalten ist, was angeschaut werden soll. Die Nähte mit weiß leuchtendem Seidenfaden aber lassen den Betrachter auch erkennen, dass es sich hier nicht um ein Geschenk handelt, das geöffnet werden soll, sondern dass diese Hülle ein tragisches Ereignis, das nicht brutal angefasst werden darf, in sich birgt. Der halbtransparente Schleier, der das Gefäß verhüllt, verlangt vom Betrachter, das Innere der Hülle aufmerksam anzuschauen.

Um sich der vergangenen Tage noch genauer zu erinnern

Es ist das Zimmer meiner Großmutter, das seit langem nicht mehr existiert. Nur einige Male habe ich mit meiner Mutter das Zimmer betreten. Daher reicht meine eigene Erinnerung nicht aus, um dieses Projekt zu realisieren. Die Großmutter selber war jedoch vor zwei Jahren verstorben, deshalb konnte ich auch sie nach dem Zimmer nicht befragen. Ich wandte mich deswegen an einige Verwandte, die das Zimmer gut kannten und bat sie darum, sich ans Zimmer zu erinnern. Ich besuchte sie, sprach mit ihnen und ließ sie das Zimmer nach ihren Erinnerungen zeichnen.Es scheint ihnen leichter gefallen zu sein, sich ans Zimmer zu erinnern, wenn sie zusammen saßen und sich Fragen stellen ließen.

Das Zimmer, das in diesem Werk vorgestellt wird, ist ein Wohnzimmer eines Hauses, in dem meine Großmutter bis vor sieben Jahren gewohnt hat. Ich habe dieses Zimmer gewählt, weil es der Ort war, der am nachhaltigsten in meiner Erinnerung von diesem Haus geblieben ist. Ich saß immer an der bestimmten Stelle am Tisch. Die Komposition des Werks entspricht dem Anblick, der sich mir an dieser Stelle bot. Obwohl es hier im Bild nicht zu sehen ist, lag hinter mir, wenn ich dort am Tisch saß, ein kleiner Garten.
Beim Gespräch mit den Verwandten habe ich davon erfahren, dass dieses Holzhaus ursprünglich, noch vor dem Einziehen der Großmutter, von einer reichen Familie als Teesalon benutzt wurde. Um es wohnlicher zu machen, renovierte man das Haus und baute einige Zimmer (z.B. ein Zimmer fürs Klavierspielen und ein Badezimmer) neu hinzu. Vor acht Jahren wurde dann das Haus verkauft, weil der älteste Sohn der Großmutter (d.h. mein Onkel) sich entschloss, in der Nähe ein neues Haus zu bauen, in dem seine Familie mit ihr zusammen wohnen sollte. Dabei wurde das alte Haus abgerissen, denn man dachte, dass das Grundstück ohne das alte Haus leichter zu verkaufen wäre.

Die Frage, die ich mir immer wieder bei meiner künstlerischen Arbeit gestellt habe, ist die, wie ich meine Werke dem Raum, in dem sie ausgestellt werden, anpassen kann. Diesmal wurde alles in Lebensgröße gezeichnet. Dadurch sollte die vergangene Situation vor meinen Augen eine präzise Verwirklichung finden.

Als Kind wurde ich eines Tages darauf aufmerksam, dass meine Augen nicht in der Lage sind, gleichmäßig exakt den ganzen sichtbaren Raum zu erfassen, und dass ich sie nur auf einen zentralen Punkt im Blickfeld fokussieren kann. Seitdem verlässt mich nie ein Entsetzen über die Tatsache, dass ich unausgesetzt das meiste von dem, was es im Blickfeld gibt, außer Acht lasse. Es war eine Erleichterung, als ich im Laufe dieser Arbeit bemerkte, dass die Dinge, die damals von mir nicht beachtet wurden, mit Hilfe von Erinnerungen anderer Menschen ergänzt werden können. Durch die zeitintensive Arbeit des Stickens nehme ich die Erinnerungen meiner Verwandten im Bild mit Respekt auf, gleichzeitig ergänze und erhalte ich die Information unvergesslich in meinem Kopf.

(Aus dem Japanischen übersetzt von Takeshi EBINE)


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